Skaldik 4: Die Skalden

Die Skalden waren jene Männer (und Frauen), welche die Kunst der Skaldik beherrschten und ihre Gedichte vor allem an Fürstenhöfen vortrugen. Die Etymologie des Wortes ist stark umstritten; die einen gehen von der nordischen Wurzel „skop” oder „skaup” aus, was so viel wie „Spott” oder auch „schelten” heißen kann, eine andere Theorie spricht von einer lateinischen Wurzel aus dem Wort „scatere”, welches „hervorsprudeln”, „überquellen” bedeutet.
Doch von der Etymologie einmal abgesehen - wer genau waren diese Leute?

Herkunft der Skalden

Skalden kamen sowohl aus einfachen als auch aus guten Verhältnissen. Sie konnten Bauern oder Jarle oder sogar Könige sein, stammten meistens jedoch aus aristokratischen Kreisen. Familiäre Beziehungen, also Vater-Sohn-Beziehungen, sind nur selten bezeugt und scheinen mit der Berufsergreifung nichts zu tun zu haben.
Die ersten Skalden waren Norweger, aber seit der Landnahme Islands um 900 n. Chr. stammten sie fast nur noch von der Insel. Von dort zogen sie auf die fürstlichen Höfe in Norwegen, Schweden und auf die englischen Inseln.

Politische Bedeutung der Skalden

Eine Voraussetzung für die Skaldik waren die Wikingerzüge, denn erst durch die Raubfahrten konnte sich in Skandinavien der Adel etablieren. Die Skalden und der Adelshof gehörten eng zusammen, denn die wortgewandten Dichter waren bei Fürsten und Königen gern gesehen. Ein Skalde stärkte die öffentliche Stellung eines Fürsten, indem er seine Taten in ausgefeilte Gedichte packte. Dass in diesen Gedichten nur die Wahrheit gesagt wird, versichert Snorri mit folgendem Argument: Wenn für einen Fürst ruhmreiche Taten erfunden würden, würde das bedeuten, dass dieser selbst nichts Ruhmreiches vollbracht hätte - weniger als Ehre würde es ihm also Verachtung bringen.
Einige Skaldenstrophen zeugen von einer engen Bindung zwischen Skalde und Fürst, welche es dem Skalde erlaubt haben mag, mitunter sehr deutlich zu ihm zu sprechen und auch Kritik zu äußern. So heißt es etwa von Sigvatr Þórðarson, er hätte dem jungen König Magnus ein Gedicht namens „Strophen der offenen Rede” aufgesagt, welches Snorri zufolge „den König zum Guten wandelte” (Heimskringla).

Überlieferung von Skaldennamen

Der erste überlieferte Name eines Skalden ist Bragi Boddason enn gamli („der Alte”) Boddason, welcher die berühmte Ragnarsdrápa verfasste. Dennoch ist sich die Wissenschaft ziemlich einig, dass Bragi die Skaldik nicht erfunden hat. Stattdessen geht man davon aus, dass Bragis Name — vielleicht auf Kosten Snorris -- vergöttlicht und er zu einem Sohne Odins gemacht wurde.
 
Das Zuordnen von Skalden zu Werken ist verhältnismäßig einfach, da sich die Skalden im Gedicht selbst nennen. Bis 1200 sind uns 250 Skaldennamen bekannt, darunter befinden sich auch 7 Frauen, sogenannte skáldkonur. Ein Großteil dieses Erbes geht auf Snorri zurück, der nahezu 1000 Skaldenstrophen (also ein Sechstel der gesamten Überlieferung) schriftlich in der Heimskringla und Snorra Edda festhielt.
Die Liste der Skalden nennt sich Skáldatal (nur unvollständig überliefert) und sie nennt 146 Skalden, die sie nach dem jeweils besungenen Fürsten ordnet. Sie entstand etwa im 13. Jahrhundert und ist in zwei Handschriften (in einer Fassung der Snorra Edda sowie in der Heimskringla) überliefert.
 
Die Namen der größten bekannten Skalden stammen aus dem 9. bis 11. Jahrhundert (also vor allem in vorchristliche Zeit), obgleich in der Zeit danach die Masse der überlieferten Strophen überwiegt.

Wie wurde Skaldik gelernt?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich bei Skaldik (auch) um Improvisationskunst handelte. In vielen Sagas und Anekdoten wird von einem improvisierten Dichten von Skaldenstrophen erzählt. Hierfür haben sich Skalden standadisierter Kenningtypen bedient, die sie schlicht wieder und wieder mit leicht veränderten Wörtern beziehungsweise Synonymen verwendeten. Außerdem gab es feste Reime - so wurde tafn bzw. valtafn (Tafel oder Valtafel, also das Schlachtfeld) meist mit hrafn (Rabe) verbunden.
 
Es gab keine Dichterschulen und wie oben bereits genannt, waren auch verwandtschaftliche Bezüge, die eine Weitergabe der Kunsttechniken ermöglichten, nur sehr selten tatsächlich vorhanden (beziehungsweise in den Quellen nachvollziehbar). Ebenso wenig sind Lehrer-Schüler-Verhältnisse bezeugt. Was dagegen die Kunst am Leben erhalten hat, scheint die Volkstümlichkeit gewesen zu sein, also die Tatsache, dass die Skaldenkunst mitten im Leben der Menschen stand. In der Víga-Glúms saga wird etwa erzählt, wie die Skaldenstrophen regelrecht von den Leuten diskutiert wurden. Und in der Gísla saga wird berichtet, dass Þórdís sich eine Strophe einprägt und sie während des Heimgehens entschlüsselt.
Mitunter wollten Skalden vermutlich gar nicht oder missverstanden werden, weshalb viele Strophen auch besonders rätselhaft erscheinen.
 
Als Erbe der alten Skaldik können heute übrigens die isländischen Rimúr verstanden werden, die noch gegenwärtig praktiziert werden.

Gedichtformen und Versmaß

Das mythologische Erbe



Quelle

Klaus von See: Klaus von See, Skaldendichtung. Eine Einführung, Artemis & Winkler Verlag 1984

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