Runentypen

Die Entwicklung des Älteren Futharks zum Jüngeren Futhark hin, wurde hier bereits mehrmals angeschnitten, aber nie explizit erklärt. Das Thema bedarf insbesondere deshalb eines eigenen Artikels, weil das Jüngere Futhark keinesfalls so homogen war wie man es für das Ältere Futhark annimmt. Schon bald kristallisieren sich aus dem Jüngeren Futhark dutzende kleinere Entwicklung heraus, von denen die punktierten Runen sowie die Lang- und Kurzzweigrunen die berühmtesten darstellen.

(Die Bilder dieses Artikels folgen in Kürze.)

Das Ältere Futhark

Das Ältere Futhark ist die älteste Form der Runen, die wir nachweisen können, und von dem etwa 370 Funde stammen, zuzüglich knapp 300 Goldbrakteaten mit Runeninschriften. Das Ältere Futhark besteht aus 24 Runen und war sprachlich an das Germanische angepasst. Sein Verbreitungsort war der gesamtgermanische Raum, es wurde in einer Vielzahl von Tochtersprachen verwendet. Bereits früh kamen einige der Runen außer Gebrauch, da der Lautwert, den sie vertraten, in der Sprache ausstarb bzw. sich weiterentwickelte; das gilt insbesondere für Eihwaz. Aber auch Perthro, Dagaz und Gebo verschwanden nach und nach.
Dass das Ältere Futhark mit 24 Zeichen das längere ist, hat man erst in den 1870er Jahren herausgefunden: Vorher ging man davon aus, das Futhark mit 16 Zeichen sei das ältere.

Das Jüngere Futhark

Vom Jüngeren Futhark spricht man etwa ab 750 unserer Zeitrechnung. Zu dieser Zeit waren die Runen auf dem Festland bereits ausgestorben und hatten lediglich in Skandinavien und England überlebt.
In Skandinavien hatte sich unterdessen die Sprache zum Altnordischen hin entwickelt, viele Laute, welche des Ältere Futhark darstellte, wurden nicht mehr gebraucht, andere Laute wurden trotz ihrer Unterschiede zusammengelegt (d mit t, p mit b, g mit k u.a.). Sehr große Überschneidungen und Veränderungen gab es bei den Vokalen, wo beispielsweise die Ansuz-Rune nun [o] (bzw. nasales a, »ą«), nicht mehr [a], abbildete, während Jera das neue A wurde, da das j im Anlaut verschwand. E fiel mit i zusammen (Ehwaz mit Isa), o mit u (Othala mit Uruz). Auch w wurde im Anlaut getilgt, weshalb Wunjo künftig mit Uruz vertreten wurde. Dieselbe Entwicklung hat übrigens auch der Name Wodan durchgemacht, der durch das Verschwinden des W im Altnordischen zu Odin wurde.

Die Folge all dieser Tilgungen war eine drastische Verminderung der Zeichenzahl von 24 auf 16 Runen, was das Entschlüsseln der Inschriften keineswegs erleichtert, sondern deutlich komplizierter macht. Aufgrund dessen und auch wegen der Vielzahl an lokalen Entwicklungen des jüngeren Futharks ist es für Laien weit schwerer zu erfassen als das ältere Futhark, was auch der Grund sein mag, warum es kaum von Esoterikern verwendet wird.

Einige Runen erlebten zusätzlich eine Veränderung der Form, um dem neuen Bestreben gerecht zu werden, alle Runen auf einen einzigen senkrechten Hauptstab zu beschränken.

Langzweigrunen

Die Langzweigrunen werden auch Normalrunen oder dänische Runen genannt, wobei letzterer Begriff aufgrund der geographischen Einteilung problematisch ist, da die Runen nicht nur in Dänemark verwendet wurden.
Bei den Langzweigrunen handelt es sich um die »klassischen« Runen des Jüngeren Futharks. Sie werden beispielsweise auf den Steinen von Malt (Jütland, Dänemark) und Gørlev (Seeland, Dänemark) belegt.

Kurzzweigrunen

Die Kurzzweigrunen werden auch schwedisch-norwegische Runen, Rökrunen oder Stutzrunen genannt, auch hier ist jedoch der Begriff »Kurzzweigrunen« vorzuziehen. Der Name »Rökrunen« bezieht sich auf den berühtmen Rökstein, der in dieser Variante verfasst wurde.
Im Vergleich zu den Langzweigrunen fallen insbesondere die Unterschiede zwischen s und ʀ sowie zwischen h und m auf: s und ʀ sind nicht länger auf Zeilenhöhe, sondern bestehen lediglich aus einem halbhohen Stab, der bei s oben beginnt, bei ʀ unten. Die Runen für h und m verzichten auf diagonale Querstriche und vereinfachen diese.
Viele Forscher beurteilen diese Reihe als die jüngere (Arntz, Elliott), Düwel meint, es sei keine chronologische Abstufung möglich, da darüber noch Ungewissheit herrsche.

Stablose Runen

Die stablosen Runen werden auch Hälsinge-Runen genannt, da sie zuerst in Hälsingland gefunden wurden. Im Unterschied zu anderen Runenvarianten müssen sie immer von links nach rechts geschrieben werden, da sie andernfalls nicht entziffert werden können. Die stablosen Runen kommen, wie der Name bereits sagt, ohne die Hauptstäbe aus, wodurch eine Art »Runenstenographie« (vgl. Fjellhammer Seim, Krause) entsteht und mindestens 14, manchmal sogar 15 Zeichen von den Kurzzweigrunen abweichen.

Punktierte Runen

Nachdem durch das Verschwinden vieler Laute zahlreiche Runen für zwei Laute stehen mussten, kommen in der späten Wikingerzeit die punktierten Runen auf, welche die Unterschiede dieser Laute deutlich machen soll. So wird durch hinzufügen von Punkten aus:

  • b → p
  • t → d
  • k → g
  • i → e
  • u → o, y, ø

Das Futhorc

Da erst zwischen 450 und 550 unserer Zeitrechnung germanische Siedler (Angeln und Sachsen) nach England kamen, kamen wohl auch Runen erst um diese Zeit auf die britische Insel. Die älteste Runeninschrift ist ein Rehknochen mit der Inschrift »Reh«.
Auf dem Themseschwert, einem Fund aus dem 9. Jahrhundert, finden wir das gesamte angelsächsiche Futhorc von 28 Zeichen. Dieses wurde etwas später nochmals bis auf 33 Zeichen erhöht. Anders als im Jüngeren Futhark, wo viele Zeichen zusammenfielen, wurden im angelsächsischen Futhorc lautliche Varianten durch neue Runen gekennzeichnet, was im Großteil daran liegt, dass viele Laute, die im Altnordischen wegfielen, im Angelsächsischen erhalten blieben (wie etwa w und j im Anlaut). Man kann behaupten, dass die Angelsachsen bei der Neugestaltung ihres Futhorcs modernisiernder zuwerke gingen als die Skandinavier.

»Insgesamt zielt die Modernisierung des anglo-friesischen Fuþorc auf die adäquate 1:1-Repräsentation des phonologischen Systems, wogegen das nordische Fuþark mindestens seit 500/550 n.Chr. durchaus statisch dem ‚etymologischen Notationsprinzip’ mit entsprechenden Mehrfachzuweisungen folgt.«
Michael Schulte, Älteres und jüngeres Fuþark – Phonologische Aspekte, S. 427

Der Name Futhorc leitet sich davon ab, dass das sich das a von Ansuz in o umwandelte und das k von Kaunan zu c.


Quellen

Arntz: Arntz, Helmut, Handbuch der Runenkunde, Edition Lempertz, Königswinter 2007 (1944).
Düwel: Düwel, Klaus, Runenkunde, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart Weimar 2008.
Elliott: Elliott, Ralph W. V., Runes. An Introduction, Manchester University Press St. Martin’s Press, New York, 1989 (1959).
Krause: Krause, Arnulf, Runen, Marixverlag, Wiesbaden 2017.
RGA: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd 25, Walter de Gruyter Verlag, Berlin & New York 2003.
Schulte: Michael Schulte, Älteres und jüngeres Fuþark – Phonologische Aspekte, In: Ergänzungsbände zum RGA 51: Das Fuþark und seine einzelsprachigen Weiterentwicklungen, Hrsg: Beck, Heinrich, Geuenich, Dieter, Steuer, Heiko, Walter de Gruyter Verlag, Berlin & New York, 2003.

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