Rind: Zusammenfassung

Rind ist die Mutter Vális und wird nur in diesem Zusammenhang eindeutig genannt. Abgesehen davon ist wenig über sie überliefert, Name und Rolle als Mutter eines vermuteten Frühjahrsgottes legen allerdings eine Nähe zu einer Vegetationsgöttin nahe. Laut Gylfaginning gehört sie zu den Asen.

Eventuell stammt der Name Rind von Vrindr ab, was dem Stabreim in Balders draumar 11 entgegenkommen würde (Simek). Vrindr könnte dann so viel wie „Efeu” bedeuten (Chiesa Isnardi). In diesem Falle finden wir ein Überbleibsel des Namens vielleicht in dem schwedischen Ortsnamen Vrinnevi (von „Wrindawi”), wobei „-vi” sowohl Heiligtum (Brate) als auch Wald, von „viþi”, bedeuten könnte (Simek). Ein Kultort der Göttin an dieser Stelle ist also denkbar, wenn auch nicht erwiesen.
Außerdem, weniger wahrscheinlich, könnte der Name auch aus der indoeuropäischen Wurzel *wer stammen, das „bedecken”, „schließen” bedeutet, an das serbische rudina erinnern („Wiese”), oder vom indoeuropäischen *wren, „spritzen” kommen (Chiesa Isnardi).
Grimm führt den Namen auf das althochdeutsche rinta bzw. das angelsächsische rind zurück, also „Baumrinde”. Dahn sieht in ihr vielmehr die Erdrinde.

Herkunft

Rind stammt aus den Westsälen („vestrsölum“), so zumindest heißt es in Baldrs draumar. Bei Saxo, wo sie Rinda heißt, stammt sie vom Volk der Russen. Eventuell ist sie die Tochter von Billingr, zumindest wird in der Hávamál bei Odins Liebesbeispielen eine Episode erwähnt, die stark an die Verführung Rinds erinnert (Chiesa Isnardi). Dort wird die Maid nicht beim Namen genannt, weshalb eine Zuordnung zu Rind ungewiss bleiben muss; Billingr ist allerdings der Vater der Namenlosen.

Vális Zeugung

Nach Balders Tod wird Odin prophezeit (in Saxos Bericht von einem Finnen), dass ihm nur Rind einen Erben gebären kann, der Balder rächt. Die Maid verweigert sich allerdings beharrlich seinem Werben, gleichgültig, unter welcher Maske er es versucht. Erst als er sich als eine heilkundige Frau namens Vecha verkleidet, gelingt es ihm: Er verheißt, die Krankheit, die er ihr zuvor mit einem mit Runen beschrifteten Stab („gambantein”) zugefügt hat, heilen zu können, jedoch nur durch eine besonders harte Kur. Rinds Vater übergibt Odin seine Tochter gefesselt, woraufhin dieser die Hilflose vergewaltigt und mit ihr Váli zeugt. Da die Tat nur mithilfe von Zauberei und Täuschung vollbracht werden kann, ist ihr Beigeschmack auch in der nordischen Rezeption durchwegs negativ. Erwähnt wird dies unter anderem bei Kormákr Ögmundarson: „seið Yggr til Rindar”, also „Magie (machte) Yggr (Odin) gegen Rind” (zitiert nach der Skáldskapamál).
Bei Saxo heißt es, diese schändliche Tat hätte zu Odins zweiter Verbannung aus Asgard geführt. Fraglich ist, ob die Episode in der Lokasenna erwähnt wird, wo Loki Odin vorwirft, er wäre als Vala in Samsö (ein Ort in Dänemark) von Haus zu Haus gezogen, um die Menschen zu betrügen.

Die gewaltsame Inbesitznahme der Rind durch Odin interpretiert Dahn als Wechsel der Jahreszeiten: Der milde Himmelsgott versucht die Erde zu befruchten, aber immer wieder verweigert sie sich seiner Wärme. Zuletzt zwingt er sie gewaltsam die Mutter des neuen Frühlings zu werden (siehe auch unter Váli).


Quellen

Gylf: Gylfaginning der Snorra Edda (Ausgabe: Krause, Arnulf. Die Edda des Snorri Sturluson, Reclam, Stuttgart 1997, S. 40, 46).
Ská: Skáldskapamál der Snorra Edda (Ausgabe: Krause, Arnulf. Die Edda des Snorri Sturluson, Reclam, Stuttgart 1997, S. 91, 106-7, 122, 130, 132).

Bal: Baldrs draumar der Lieder-Edda (übersetzt nach Felix Genzmer, Ausgabe: Diederichs Verlag, München 2006).
Grg: Grógaldr der Lieder-Edda (übersetzt nach Felix Genzmer, Ausgabe: Diederichs Verlag, München 2006).
Chiesa Isnardi: Chiesa Isnardi, Gianna. I miti nordici, Longanesi, Mailand 2016 (1991), S. 96, 166-7, 241-2, 272.
Dahn: Dahn, Felix und Therese. Germanische Götter- und Heldensagen, Marixverlag Wiesbaden 2013, S. 153-4.
Grimm: Grimm, Jacob. Deutsche Mythologie, Marixverlag, Wiesbaden 2007, S. 212.
Simek: Simek, Rudolf. Lexikon der germanischen Mythologie, Alfred Kröner Verlag Stuttgart 1984, S. 331-2.

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