Die Sprache der Inschriften

Es ist schwierig, die Sprache der Inschriften zu beurteilen. Das liegt vor allem daran, dass wir von diesen Sprachen in dieser Epoche derart wenige Zeugnisse haben, dass die Grenzen zu den Nachbarsprachen mitunter fließend verlaufen. Häufig muss deshalb auf Begrifflichkeiten zurückgegriffen werden, die sehr allgemein sind (»germanisch«) und unter denen man sich mitunter nicht sehr viel vorstellen kann. Viele Problematiken rühren daher, dass kategorisiert werden soll, wo nur schwer kategorisiert werden kann, weshalb sprachliche Übergruppen gebildet werden müssen.

Das ältere Futhark

Die sprachliche Aufteilung der Inschriften

Alle Runeninschriften fallen in die sprachliche Kategorie »germanisch« – soweit ist alles klar. Diese Kategorie wird meist noch in vier Unterordnungen eingeteilt, die den vier Himmelsrichtungen entsprechen: Nord-, Süd-, West- und Ostgermanisch.

Zum Ostgermanischen gehört in erster Linie das Gotische. Dieses ist durch die Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila ausreichend überliefert, um typische Sprachformen herauszuarbeiten und Runeninschriften dieses Sprachzweigs zu bestimmen. Andere ostgermanische Sprachen sind kaum überliefert und da der Sprachzweig insgesamt ausgestorben ist, ist eine genauere Betrachtung schwierig. Weitere Sprachen des Zweiges sind Vandalisch und Burgundisch.

Die Begriffe Süd- und Westgermanisch werden nahezu synonym verwendet und bezeichnen alle Sprachen südlich von Dänemark, die ab dem 7. Jahrhundert die Zweite Lautverschiebung mitgemacht haben und ab diesem Zeitpunkt als »althochdeutsch« bezeichnet werden. Vor dieser Lautverschiebung nennt man sie daher auch »voralthochdeutsch«, wenngleich der Begriff durchaus problembehaftet ist. Im Gegensatz zum Südgermanischen gehören zum Westgermanischen auch die Sprache der Nordseegermanen, also der Friesen, Sachsen und Angeln.

Große Forscherdiskussionen hat dagegen das Nordgermanische ausgelöst. Lange Zeit wurden die Inschriften dieses Sprachzweiges »urnordisch« genannt und als direkter Vorgänger des Altnordischen verstanden (jene Sprache, die ab dem 8. Jahrhundert von den Skandinaviern gesprochen wird). Heute neigen große Teile der Forscherkreise dazu, diese Sprachfamilie als »altrunisch« (englisch: »early runic«) zu bezeichnen.

Die südgermanischen Funde

Zu den südgermanischen Inschriften gehören Inschriften der oberdeutschen, fränkischen, thüringischen und altsächsischen Dialekte sowie das Langobardische (Nedoma). Von der Masse an bekannten Funde gehören nur etwa 90 in diese Kategorie. Der Großteil der Inschriften besteht entweder aus lediglich einem Wort oder aus sehr kurzen Texten, weshalb sprachlich (aber auch geschichtlich, mythologisch usw.) nur wenig daraus gezogen werden kann – dieses Wenige ist aber aufgrund der Seltenheit direkter sprachlicher Zeugnisse dieser Zeit für die Sprachwissenschaft von höchster Bedeutung.
Die meisten dieser Funde stammen aus der Zeit des 6. und 7. Jahrhunderts und aus dem geographischen Gebiet des Südwesten Deutschlands.
Sprachlich kann man für diese Inschriften festhalten, dass auf Kennzeichnung von Vokallänge verzichtet wird und Nasale vor d und t wegfallen.

Weiterentwicklungen

Indem sich das Ältere Futhark weiterentwickelt und nur bei manchen Völkern überlebt, verkleinert sich auch der Kreis der Sprachen, die weiterhin in Runeninschriften gefunden werden.

 

  • Das Jüngere Futhark überlebt einzig in Skandinavien, hier verschriftlicht es die altnordische Sprache.
  • Das angelsächsische Futhorc wird in Großbritannien verwendet, man schreibt in angelsächsischer, also altenglischer Sprache.
  • Auf dem Kontinent, also insbesondere Deutschland, stirbt die Runenschrift im 7. Jahrhundert aus.

Quellen

Düwel: Düwel, Klaus, Runenkunde, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart Weimar 2008.
Krause: Krause, Arnulf, Runen, Marixverlag, Wiesbaden 2017.
RGA: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd 25, Walter de Gruyter Verlag, Berlin & New York 2003.
Nedoma: Nedoma, Robert, Schrift und Sprache in südgermanischen Runeninschriften, In: Ergänzungsbände zum RGA 51: Das Fuþark und seine einzelsprachigen Weiterentwicklungen, Hrsg: Beck, Heinrich, Geuenich, Dieter, Steuer, Heiko, Walter de Gruyter Verlag, Berlin & New York, 2003
Seebold: Seebold, Elmar, Die sprachliche Deutung und Einordnung der archaischen Runeninschriften, In: Ergänzungsbände zum RGA 10: Runische Schriftkultur in Wechselbeziehung, Hrsg: Düwel, Klaus, Walter de Gruyter Verlag, Berlin & New York, 1994.

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