Allgemeine Begriffe

Die genaue Etymologie des Begriffes »Rune« ist umstritten, Grundsätzliches aber geklärt. Es kommt in allen germanischen Sprachen vor, gotisch »runa«, althochdeutsch »runa(stab)«, altenglisch »run«, altnordisch »rún« und mittelhochdeutsch »rûne«. Aufgrund der Lautverschiebung müsste sie im Neuhochdeutschen als »Raune« überliefert sein (siehe das Verb »raunen« mit derselben Wurzel). Tatsächlich aber muss das Wort irgendwann abhanden gekommen sein, erst im 17. Jahrhundert wurde es von den skandinavischen Sprachen übernommen und eingedeutscht: Rune.
Weitere Wortwurzeln finden sich in »Geraune« (gotisch »garuni«, althochdeutsch »giruni«) sowie in einigen Namen wie Sigrun, Heidrun, Gudrun usw. Außerdem ist es im Namen der Pflanze Alraune erhalten. Eine weitere etymologische Verbindung findet sich für das Mittelhochdeutsche »rienen«, was so viel wie »jammern« bedeutet. Das altirische »run« und das kymrische »rhin« führten zu der Vermutung, dass das germanische Wort dem Keltischen entlehnt wurde. Keine Verwandtschaft besteht vermutlich zum finnischen »runo« (Lied); die finnische Sprache hat keine indogermanischen Wurzeln.
»Rune« bedeutet so viel wie »Geheimnis«, Arntz führt außerdem »Kulthandlung« hinzu. Dies zusammen mit der ausschließlich kultisch-sakralen Verwendung von Runen weist stark darauf hin, dass es sich bei den Runen des Älteren Futharks um eine Kultschrift, nicht um eine Gebrauchsschrift handelte. Gerade die Namensritzungen auf Gegenständen wird allerdings nicht durchwegs kultisch interpretiert, im Gegenteil bestehen einige Forscher darauf, die Inschrift eines Personennamen oder der Gegenstandsbezeichnung auf dem Gegenstand selbst sei profan oder gar eine banale »Schreibübung«.

Ættir

Als Ætt (»Aicht«, femininum, Plural Ættir) werden die drei Gruppen von je 8 Runen bezeichnet, in die man das Futhark aufteilen kann. Es bedeutet so viel wie »Geschlecht«, eventuell auch »Achtergruppe« (Düwel). Selbst als das Ältere Futhark sich zum Jüngeren Futhark auf 16 Zeichen verkürzt und die Achtergruppen nun mehr schlecht als recht aufgehen, bleiben die Ættir bestehen, was durch zahlreiche Geheimrunen erwiesen wird. Diese bilden eine Art Zahlencode, welcher über Ætt und Position der Rune darin die eigentliche Rune verschlüsselt.
Der Begriff Ætt wird erst im 17. Jahrhundert in isländischen Handschriften überliefert und bekommen bei dieser Gelegenheit auch die noch heute bekannten Namen als Freyrs Ætt, Hagals Ætt und Týrs Ætt. Hagall als Gott oder Göttin ist nicht überliefert, Düwel geht davon aus, dass der Name nur für die Ætt von der ersten Rune der zweiten Familie, Hagalaz, abgeleitet wurde. Dass Hel als Patin der zweiten Ætt so häufig auftritt, ist dagegen auf esoterische Bemühungen zurückzuführen, auch für diese problematische zweite Ætt eine Gottheit zu finden. Tatsächlich ist es aber unwahrscheinlich, dass eine so junge Göttin, die innerhalb der Mythologie eine so untergeordnete Rolle spielt, in die Runen aufgenommen wurde.

 

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Freyrs Ætt
Hagals Ætt
Týrs Ætt  ᛟ
Geheimrunen auf dem Stein von Rök
Geheimrunen auf dem Stein von Rök

Obwohl also nicht bekannt ist, ob der Begriff Ætt geschweige denn die Namen der einzelnen Ættir bereits zur Verwendung des Älteren oder Jüngeren Futharks bekannt waren, ist doch zumindest erwiesen, dass ihr Konzept durchaus existierte. Auf zwei schwedischen Brakteaten, dem von Vadstena und dem von Grumpan, wird das Futhark vollständig abgebildet, die einzelnen Ættir durch Punkte voneinander separiert (bei Vadstena zwei übereinander liegende, bei Grumpan acht, vier und sechs nebeneinander liegende).
Außerdem sei für das Jüngere Futhark noch einmal auf die Geheimrunen verwiesen, die sich nur mithilfe der Einteilung in Ættir sinnvoll auflösen lassen. (Ein Artikel über Geheimrunen folgt.)

Kumbl und Bautastein

Stein von Gørlev
Stein von Gørlev

Unter Kumbl verstand man ursprünglich ein Zeichen, später ein Denk- oder Grabmal. Im Plural (der gleich lautet) steht es für eine ganze Anlage von Steinsetzungen. Dieser Begriff ist in Runenschrift auf einigen Denkmälern (beispielsweise auf dem Stein von Gørlev) belegt. Nasale (m und n) werden häufig weggelassen, dann entfällt das m und der Begriff wird als »kubl« geschrieben (A. Krause).

Stein von Einang
Stein von Einang

Unter einem Bautastein versteht man ebenfalls Gedenksteine. Sie stehen allein oder in Gruppen bei Gräbern, Hügeln oder am Wegesrand und sollen eines Toten gedenken beziehungsweise den Grabfrieden wahren. Seit dem 4. Jahrhundert findet man sie in Schweden und Norwegen, dort lag wohl ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet. Unsicher ist, ob sie auch im Grabinneren aufgestellt wurden. Ein Beispiel ist der Stein von Einang in Ostnorwegen.
Bautasteine werden sogar in der Liederedda, im Hávamál erwähnt.

 

Sonr er betri
þótt sé síð of alinn
eptir genginn guma;
sialdan bautarsteinar
standa brauto nær
nema reisi niðr at nið.

Ein Sohn ist besser,
ob geboren auch spät
nach des Hausherrn Hingang:
nicht steht ein Denkstein
an der Straße Rand,
wenn ihn nicht ein Gesippe setzt.
(übersetzt nach Genzmer)


Weitere Bezeichnungen für Gedenksteine sind steinn (Stein), merki (Merkzeichen) und minni (Erinnerungszeichen).

Der Wortschatz des Schreibens

Auf den Runensteinen sind unterschiedlichste Wörter für das Schreiben von Runen überliefert.

 

Stein von Järsberg
Stein von Järsberg

*writan (»reißen, ritzen, schreiben«) auf dem Stein von Järsberg:


»ubaʀ h[a]itē, Hrabnaʀ hait[ē], ek erilaʀ rūnōʀ wrītu«


»Ub heiße ich, Hrabn heiße ich, ich Eril schreibe die Runen.« (Düwel)

Stein von Tune
Stein von Tune

*wurkian (»wirken«) auf dem Stein von Tune:


»ekwiwaʀafter woduri, dewitadahalaiban worahto ? , ? ʀwoduride staina, þrijoʀdohtriʀdalidun, arbiharjosteʀarbijano«


»Ich Wiw nach Wodurid, dem Brotwart, wirkte [die Runen]. [Mi]r (?), dem Wodurid bereiten den Stein drei Töchter, das Erbmahl (aber) die vornehmsten der Erben.« (W. Krause, nach Düwel)

Stein von Noleby
Stein von Noleby

*faihian (»färben«) auf dem Stein von Noleby:


»rūnō fāhi raginaku(n)dō«


»Eine Rune male ich, eine von den Ratern (göttlichen Mächten) stammende.« (Düwel)

 

Weitere Begriffe wie rista (reißen), marka (markieren), fa (machen).

 

Insbesondere das wort »faihian« ist interessant, da es darauf schließen lässt, dass Runen ursprünglich ausgemalt wurden. Auf der Inschrift von Överselö findet sich als einziger das Verb rjóða, also »rot färben« oder »mit Blut färben« (vgl. altenglisch »reodan«, »röten, blutig machen). Diese Formulierung wird in literarischen Quellen vor allem für Blutopfer verwendet (Düwel). Das Färben von Runen ist historisch belegt, auf Runensteinen der Wikingerzeit wurden Farbreste gefunden.

Stein von Överselö
Stein von Överselö

Quellen

Arntz: Arntz, Helmut, Handbuch der Runenkunde, Edition Lempertz, Königswinter 2007 (1944).
Düwel: Düwel, Klaus, Runenkunde, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart Weimar 2008.
Krause: Krause, Arnulf, Runen, Marixverlag, Wiesbaden 2017.

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